Was ich erlebt habe, kann mir niemand nehmen. Ein tief in mir verborgener Schatz, der zu leuchten beginnt, wenn ich die Augen schließe.
Ich habe meine Fußreise noch nicht begonnen, und schon läuft mir der Schweiß den Rücken hinab. Als ich die U-Bahn am Südstern erreiche, weiß ich, dass mein Rucksack zu schwer ist. Ich habe lange überlegt, was ich wirklich brauche. In den letzten Tagen habe ich aussortiert und wieder eingepackt, und zuletzt die Entscheidung für zu viel getroffen. Während ich zum Südstern gehe, fällt mir nichts ein, was ich wieder auspacken kann. Einfachheit und Bescheidenheit zu wollen, heißt nicht zugleich, sie auch leben zu können. Idealisierung ist leicht, mit den Konsequenzen zu leben, etwas völlig anderes. Wieder ist mir mein Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle in den Rücken gefallen. Eine Fußreise ist alles andere als überschaubar oder planbar. Loslassen eine Kunst, die sich gegen meine eingeübten Gewohnheiten und alltäglichen Routinen zur Wehr setzt. Während ich in den U-Bahnschacht hinabsteige, kommt mir ein Satz von Nelly Sachs in den Sinn - Alles beginnt mit der Sehnsucht - den mir ein Arbeitskollege einst zum Geburtstag schenkte. Weil er zu mir passt, habe ich ihn nie vergessen. In der überfüllten U-Bahn tropft mir der Schweiß von der Stirn. Gleich zu Beginn überfällt mich die Unsicherheit vor einer Reise, wie ich noch keine unternommen habe: Allein durch unbekanntes Gebiet zu wandern, eine Gegend in Deutschland, mehr oder weniger dicht besiedelt und strukturiert, und mir trotzdem völlig fremd ist. Lampenfieber, beruhige ich mich, das Gefühl des Unvorhersehbaren. Vorfreude, die schönste Form des Wartens. Durch meine Aufregung komme ich viel zu früh am ZOB an. Trotz der morgendlichen Stunde herrscht zwischen den Bussen bereits reges Leben. Der Bus nach Görlitz ist fast leer. Nur fünf Fahrgäste und kein Geschäft für den Postbus. Für mich eine angenehme, vierstündige Reise.