Sonntag, 11. Mai 2025

Gebrauchsanweisung Via Regia


Wenn man in ein gewisses Alter gekommen ist, ist es schwer, jemand anderes zu sein, als der, der man schon immer gewesen ist.


In einem Umfeld von Hypermobilität sind Fußreisen subversiv, gleichgültig ob real oder virtuell. Allein die Vorstellung, wieder zu Fuß zu gehen, fühlt sich revolutionär an. Revolutionen sind immer visionär. Wer zu Fuß geht, stellt sich eine andere Welt vor: Sein und Teilhabe statt Besitzen und Haben. Bewahrung statt Verschwendung, Bewegung statt Konsum. Weniger statt Mehr, für eine neutralere Klimabilanz.

Für meine Kinder ist es cool, kein Auto zu besitzen, autofrei zu leben. Wie viel anders stehen sie zur Welt. Ich habe trotz besseren Wissens Jahrzehnte dazu gebraucht, etwas zu ändern. Wie viele meiner Mitmenschen und Zeitgenossen. Verantwortung ist nicht delegierbar. Im urbanen Milieu hat der Abgesang des Autos, zwar noch zaghaft, doch mittlerweile begonnen. Allmählich ist es out, ein eigenes Auto zu besitzen. Eine autofreie Stadt ist eine notwendige Vision. Der letzte Traum, den ich träume, doch werde ich es nicht mehr erleben, dass er sich erfüllt. Wann werden wir die Mehrheit sein? Die innere und äußere Balance von Natur und Kultur erreichen - nachhaltig, ökologisch und friedlich. Nur die ökologische Welt bildet einen sozial gerechten Lebensraum. Es lohnt sich Ulrich Grober zu entdecken, und seine Bücher zu lesen. Ich kenne nicht viele Autoren, die die Problematik unseres Lebensstils radikal benennen, ohne in die dystopischen Grabreden einzustimmen, die üblich geworden sind, und Hoffnung zerstören. Dystopien führen in eine Ohnmacht, die suggeriert, inzwischen ist es längst zu spät. Zukunft ist möglich, lautet das Credo, wenn wir nachhaltiger leben, weniger besitzen, weniger zerstören, weniger verbrauchen, weniger entsorgen, mehr teilen; unsere Habgier zügeln, wieder staunen und uns freuen, über die Welt, die uns erhält. Alles, was wir dazu brauchen, fasst Ulrich Grober in wenige Worte, die mir als Leitmotiv dienen: Richtungen ändern. Vom Weg abweichen. Im Weglosen gehen. Souverän über Raum und Zeit verfügen. Gehen und tragen. Alles, was man braucht, im Rucksack bei sich haben. Sich etwas zumuten. Bis hart an die eigene Grenze gehen. […]: zur Innenschau, der Zwiesprache mit sich selbst, dem Hören auf die innere Stimme: Essenz des Wanderns. Achtsam sein, hinsehen und zuhören, sich in der Kakophonie der Konsumdiktion nicht selbst verlieren: Die vielen Dinge machen den Papalagi arm. Erinnert sich noch jemand an den Südseehäuptling Tuiavii aus Tiavea und seine Kritik an der westlichen Zivilisation? Eine Welt, die so beschaffen ist, bildet einen sozial gerechten Lebensraum.
Wer hat nicht schon einmal daran gedacht, noch einmal neu zu beginnen. Manchmal, im Stillen, mit dem Nachsatz: Was wäre dann alles möglich! Die verstrichenen Jahre mit ihren vielfältigen Höhen und Tiefen provozieren solche Gedanken ohne bewusstes Zutun. Wer versteht, nicht nur auf seine Gedanken zu hören, sondern auch auf seine Gefühle zu achten, spürt, dass die vergangenen Jahre gute und schlechte waren, und dass weitere folgen werden. Es ist ein Glück, dass es immer nur Phasen eines Lebenszyklus sind, mit denen wir konfrontiert werden.
Ich werde damit beginnen, die kommenden Jahre wieder zu Fuß zu gehen. Dem Fußgänger rücken die für das Überleben unseres Planeten wichtiger werdenden Werte näher. Kein Höher mehr, kein Weiter oder Schneller. Entschleunigung und Nachhaltigkeit, Abschied nehmen von überholten Überzeugungen und Gewohnheiten, ein alternatives Erleben von Naturraum und Weltzeit. Auf die innere Stimme genauso achten, wie auf die Atmosphären im Raum; Stadt oder Land, urban oder natürlich. Dem gesunden Menschenverstand, den drei I‘s eine Chance geben: Inspiration, Intuition und Imagination.

Gebrauchsanweisung Via Regia - Teil 1


Wird fortgesetzt: Gebrauchsanweisung Via Regia - Teil 2 - Leipzig - Vacha (Werra)



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