Sonntag, 11. Mai 2025

Gebrauchsanweisung Via Regia


Wenn man in ein gewisses Alter gekommen ist, ist es schwer, jemand anderes zu sein, als der, der man schon immer gewesen ist.


In einem Umfeld von Hypermobilität sind Fußreisen subversiv, gleichgültig ob real oder virtuell. Allein die Vorstellung, wieder zu Fuß zu gehen, fühlt sich revolutionär an. Revolutionen sind immer visionär. Wer zu Fuß geht, stellt sich eine andere Welt vor: Sein und Teilhabe statt Besitzen und Haben. Bewahrung statt Verschwendung, Bewegung statt Konsum. Weniger statt Mehr, für eine neutralere Klimabilanz.

Donnerstag, 8. Mai 2025

Ein vorläufiges Ende


Trenne dich nie von deinen Illusionen und Träumen. Wenn sie verschwunden sind, wirst du weiter existieren, aber aufgehört haben zu leben.
Mark Twain


Leipzig. Zusammen mit anderen Zentren der Region gehört die Stadt zur polyzentralen Metropolregion Mitteldeutschland; ein Ballungszentrum mit einer Bevölkerung von über einer Million. Sicher, nicht so viele wie in Berlin, aber genug, um mich schon am Stadtrand bedrängt zu fühlen. Nach Tagen ohne urbane Atmosphären, trifft mich die kreisfreie Stadt unerwartet heftig. Leipzig ist eins der historischen Zentren Sachsens, der Wirtschaft, des Handels und Verkehrs, der Verwaltung, Kultur und Bildung sowie für die Kreativszene. Die Stadt empfängt mich lärmend und geschäftig. Sie zerrt an der Stille in mir, an meiner Ruhe und Gelassenheit, die mich in den letzten beiden Wochen ausgefüllt hat.

Mittwoch, 7. Mai 2025

Bei Kuttel Daddeldu zu Haus


In Hamburg lebten zwei Ameisen,
Die wollten nach Australien reisen.
Bei Altona auf der Chaussee,
Da taten ihnen die Beine weh,
Und da verzichteten sie weise
Dann auf den letzten Teil der Reise.

Joachim Ringelnatz


Als ich gefragt wurde, warum ich pilgere, antworte ich, um den Weg zu finden. Das ist zwar richtig, doch gleichzeitig noch viel mehr. Nicht nur den Weg finden, sondern ihn auch gehen, insbesondere ihn zu Ende gehen. Nicht aufgeben, wenn es schwierig wird, die Füße schmerzen, die Rückenmuskel nicht mehr tragen wollen, und der Rucksack auf die Schultern drückt. Weitergehen, weil ich noch nicht angekommen bin, und bis zum Ankommen noch Zeit brauche. Mir etwas zumuten, weil ich eine Entscheidung getroffen habe, und dafür einstehen will.

Dienstag, 6. Mai 2025

Die Bockwindmühle an der Salzstraße


Ob eine Sache gelingt, erfährst du nicht, wenn du darüber nachdenkst, sondern wenn du es ausprobierst.
Anonym


Ich wache viel zu früh auf, weil Donner in der Ferne drohend grollt. Als ich aufstehe, spüre ich die Feuchtigkeit, die klamm im Raum hängt. Auch meine Sachen fühlen sich feucht an, es ist viel zu kalt und regnet noch immer. Draußen prasselt es auf das Pflaster und die Blätter der Kirschbäume schimmern nass im Morgenlicht. Über den Himmel von Strehla hat jemand einen bleigrauen Vorhang gezogen. Ob mir heute etwas gelingt, erfahre ich nicht, wenn ich nur darüber nachdenke. Ich muss los, und es auch ausprobieren.

Samstag, 3. Mai 2025

Bis an die Elbe


Keiner kommt von einer Reise
so zurück, wie er weggefahren ist.

Graham Greene


Ich verlasse das seltsame Pfarrhaus in Skassa früh morgens. Irgendwie unwirklich die Atmosphäre im Haus; mit der einsilbigen und distanzierten Pfarrersfamilie, mit einem Durcheinander, das ich in einem Pfarrhaus nicht erwartet habe. Überall liegen Dinge herum. Eine Patina aufeinander gelagerter Schichten von Arbeit und Leben überzieht alle Räume. Mein Quartier eher ein Kinderzimmer. Wäre ich ein Location Scout, ich hätte die ideale Umgebung für einen Film gefunden, der vom Leben eines Landpfarrers in der DDR erzählt. Wieder bin ich der einzige Gast. Die Familie des Pfarrers, der nebenbei die Herberge im oberen Stockwerk führt, ist zurückhaltend. Sie scheinen zu fremdeln, und ich wundere mich, warum sie Pilger aufnehmen. Ich freue mich und bin ihnen dankbar, dass sie das tun, ich wäre sonst im Regen ertrunken. Und ich finde die Umgebung heimelig, durchdrungen vom Leben der Bewohner. Überhaupt nicht abweisend. Obwohl im selben Haus, gibt es keine Begegnung. Nicht das die anderen Pfarrer oder Herbergseltern besonders kommunikativ waren. Doch einen kurzen Plausch gab es immer.

Donnerstag, 1. Mai 2025

Der Weg wächst im Gehen


Ich kenne ein Land, wo alte Männer regieren
Da kann man nicht bleiben, weil da darf nix passieren
Die Welt ist so groß, und diese Dinge sind klein
Hat eh keinen Sinn, so einsam zu sein
Wir reiten nach Jerusalem

Spliff


Ich war noch ein Kind, noch katholisch. In der Pfarrkirche meiner Heimatstadt wurde immer wieder ein Lied gesungen, auf das ich in jeder Messe ungeduldig wartete, das einzige, das ich nie vergessen habe, auch wenn nur ein paar Fragmente übriggeblieben sind. Doch es sind die entscheidenden gewesen, wie ich mittlerweile weiß, denn sie haben mein Leben mitgeprägt. Für mein damaliges Bedürfnis wurde dieses Lied viel zu selten gesungen. Ich habe es seitdem nie mehr gehört. Manchmal erinnere ich mich, irgendetwas holt es ins Bewusstsein zurück. Vielleicht wusste ich einmal, an welcher Stelle es in der Liturgie gesungen wurde, und was mein affektives Betroffensein wirklich bedeutete. Inzwischen habe ich auch das vergessen. Aber ich weiß mittlerweile, dass wir alle zu unterschiedlichen Zielen unterwegs sind, und dass nicht jedes Ziel auf dem physischen Plan verwirklicht werden kann. Den Rest des Liedes, dass ich erinnere, handelt von dieser sehr paradoxen Situation: